Radio "Grüne Welle" vom 07.05.98


Themen der Sendung vom 07.05.98 Schallwellen

MitarbeiterInnen der Sendung:
Brigitte (B), Viktor (V), Ingrid (In), Holger (H), Ralf (Ra), Joachim (J) und Hardy in der Technik

AutorIn: a , SprecherIn: s


Oekosteuer, Einleitung

Kein anderes Thema wird im Vorfeld der bevorstehenden Bundestagswahl so heftig und kontrovers diskutiert wie die oekologische Steuerreform. Die Gruenen, die dieses Konzept fuer eine grundlegende Wirtschaftsreform zum Schwerpunkt ihres Wahlkampfes waehlten, machen sich durch Forderungen wie z.B. ein hoeherer Benzinpreis unbeliebt und riskieren, wichtige Waehlerstimmen zu verlieren. Inzwischen ist das Diskussionfeld groesser geworden und auch innerhalb der Regierungskoalition wird gestritten. Auch aus der Wirtschaft melden sich Befuerworter z.B. der IG-Metall-Vorsitzende Zwickel oder der Chef der Deutschen Bank.

Was hat es jetzt eigentlich mit dieser sogenannten Oekosteuer auf sich? Warum soll sie eingefuehrt werden und wie soll diese Steuerreform funktionieren? Nach der Musik werden wir Ihnen diese Fragen beantworten.

Oekosteuer, Teil 2

Warum spricht sich Greenpeace fuer eine oekologische Steuerreform aus?
Wir haben in Deutschland, aber auch global gesehen, zwei grosse Probleme: Auf der einen Seite werden immer mehr Menschen arbeitslos, weil es immer weniger bezahlte Arbeit gibt. Menschen werden zunehmend durch Maschinen und Technik ersetzt. Auf der anderen Seite fuehren das globale Bevoelkerungswachstum und die rasante, aggressive Wirtschaftspolitik der Industriestaaten zur Zerstoerung unserer Umwelt, die unsere Existenzgrundlage bildet. Ursache dieser gefaehrlichen Entwicklung ist, dass Arbeit gerade in Deutschland teuer und Energie relativ billig ist. Fuer ein Unternehmen ist es lukrativ, moeglichst viele Menschen durch Maschinen zu ersetzen. Unternehmen, die entsprechend viel Energie verbrauchen, werden sogar belohnt durch guenstigere Kilowattpreise und neuerdings auch durch die Moeglichkeit, Strom in Billiglaendern einzukaufen z.B. Atomenergie aus Frankreich.

Koennen dieses Probleme nicht innerhalb der bestehenden Strukturen geloest werden?
Nein, denn die derzeitige Wirtschaftspolitik geht davon aus, dass nur ein Wirtschaftswachstum Arbeitsplaetze schaffen kann und Umweltschutz nur moeglich ist, wenn das Portemonnaie voll ist.

Die letzten Jahre zeigen allerdings, dass gerade die grossen Unternehmen immer neue Rekorde verzeichnen, aber im gleichen Zuge immer mehr Menschen wegrationalisiert werden. Das Wirtschaftswachstum findet also statt, aber leider bleibt das Arbeitsplatzwunder aus. Und es gibt keinen Grund auf eine Trendwende zu hoffen. Erst letzte Woche (15.4.98, WZ/ taz) gab die Bundesanstalt fuer Arbeit bekannt, dass sie fuer 1998 mit einem neuen Negativrekord rechnet, falls das Wirtschaftswachstum unter 2% liegen sollte. Die Rechnung, dass stetiges Wirtschaftswachstum automatisch fuer mehr Beschaeftigung sorgt geht nicht mehr auf. Hier stoesst das derzeitige Konzept der sozialen Marktwirtschaft an seine Grenzen, denn zunehmende Arbeitslosigkeit ist unsozial und langfristig nicht zu finanzieren. Die Umwelt wird zur Nebensache. Massnahmen gegen CO2 -Anstieg, gegen Treibhauseffekt, gegen Luft- und Wasserverschmutung, gegen Waldsterben etc. werden zum unbezahlbaren Luxus. Die Kosten der Umweltzerstoerung sind jedoch auch teuer. Die Folgen vom Treibhauseffekt, der Zerstoerung der Ozonschicht, der Zunahme von Allergien sind volkswirtschaftlich unbezahlbar. Die Belastungen werden in Zukunft noch weiter zunehmen. Umweltschutz ist kein laestiger Luxus, sondern ein unbedingtes Muss.

Wie funktioniert eine oekologische Steuerreform prinzipiell?
Die oekologische Steuerreform ist ein Instrument, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Die (Zauber)formel lautet: Arbeit soll billiger und Energie teurer werden. Die Kosten werden umgeschichtet. Die Energie wird schrittweise mehr besteuert und gleichzeitig sinken die Lohnnebenkosten, die die Arbeit in Deutschland derzeit teuer machen. Unternehmen, die sparsam mit Energie umgehen und viele Arbeitsplaetze anbieten werden profitieren und zu den Gewinnern zaehlen. Unternehmen, die viel Energie verbrauchen, also die Umwelt belasten, und wenige Menschen beschaeftigen, muessen draufzahlen oder sich umstellen. Ziel einer Oekosteuer ist es, dass die Preise die oekologische Wahrheit sagen. So kann der Konsument durch sein Kaufverhalten die Wirtschaft zu energiesparenden Produktion motivieren.

Reicht nicht eine Erhoehung der Mehrwertssteuer, so dass die Industrie nicht belastet werden muss?
Nein. Dieser Ansatz der CDU belastet nur die Konsumenten. Das ist sozial ungerecht und oekologisch sinnlos. Durch ein solches Konzept werden alle Produkte gleichermassen besteuert, aber von einer Oekosteuer profitieren energiearme Produkte. Die Unternehmen sind diejenigen, die produzieren und verkaufen, Arbeitsplaetze anbieten oder abschaffen, die die Umwelt verschmutzen oder schonen. Es ist legitim,dass die Unternehmen betriebswirtschaftlich rechnen, denn es ist Sache der Politik Regeln zu schaffen, die gesamtgesellschaftliche Probleme steuern. Es ist Sache der Politik, Anreize bzw. Strafen zu entwickeln, die die fuer Unternehmen motivieren, Menschen einzustellen und die Umwelt zu schonen. Ein anderes Beispiel: AEG tritt seit Jahren fuer eine Oekosteuer ein, damit sie ihre energiesparsamen Geraete besser verkaufen koennen.

Welche Folgen wird eine solche Reform fuer den Einzelnen haben?
Jeder Einzelne wird in Zukunft mehr darauf achten, Energie zu sparen. Massnahmen zur Energieeinsparung werden sich rentieren, z.B. Waermedaemmung von Haeusern. Darueberhinaus werden voraussichtlich wieder mehr Menschen bezahlte Arbeit bekommen. Der Benzinliterpreis wird langsam steigen, obwohl ein Anstieg auf 5 DM innerhalb der naechsten 10 Jahre utopisch ist. Wichtig ist, dass es fuer die Autoindustrie attraktiv wird endlich 3-Liter-Autos serienmaessig zu produzieren. Den Prototypen hat Greenpeace schon laengst vorgestellt und die Plaene liegen auch schon in den Schubladen, so dass weniger Benzin verbraucht wird und der tatsaechlich Kostenanstieg relativ niedrig bleibt. Ein weiterer Aspekt ist, das z.B. die Kfz-Steuern gesenkt werden muessen, denn nicht das stehende, sondern das fahrende Auto belastet die Umwelt.

Ist ein deutscher Alleingang moeglich? Besteht nicht die Gefahr, dass die deutsche Industrie nicht mehr konkurrieren kann?
Von einem deutschen Alleingang kann keine Rede sein. Die Niederlande, Daenemark und Grossbritannien, Schweden haben bereits Oekosteuern eingefuehrt und sie haben in den letzten Jahren mehr Jobs geschaffen als Deutschland. Eine Studie im Auftrag des Umweltministeriums von Baden-Wuertemberg kommt zu dem Schluss, das acht von zehn Unternehmen zu den Gewinnern zaehlen werden. Entscheidend ist, dass eine solche Umstellung schrittweise und differenziert sein muss, damit energieintensive Branchen nicht zusammenbrechen. Daenemark zeigt uns bereits erfolgreich, dass dies moeglich ist. Ein Teil der Einnahmen werden dazu benutzt, der Industrie beim Umbau zu helfen, der andere Teil wird fuer die Senkung der Lohnnebenkosten genutzt.

Kann eine Oekosteuer Arbeitsplaetze schaffen?
Ja. Das Deutsche Institut fuer Wirtschaftsforschung hat bereits 1994 im Auftrag von Greenpeace ausgerechnet, dass bis zu 500.000 neue Arbeitsplaetze entstehen koennen. Allerdings kann die Oekosteuer nicht ein systemimmanentes Problem loesen: Das Streben nach Effektivitaet bedeutet, dass innerhalb der gleichen Zeit mehr produziert wird, oder umgekehrt: fuer die gleiche Arbeit werden immer weniger Menschen benoetigt. Da kein unendliches Wachstum moeglich ist, wird es auch in Zukunft immer weniger bezahlte Arbeit geben. Entscheidend ist jedoch, dass Branchen, die Menschen als Arbeitskraefte einsetzen mit geringeren Lohnnebenkosten belohnt werden und z.B. Teilzeitarbeit attraktiver wird.